Schrei
Ersatzobjekt
»…dass es aus meiner Sicht das Schönste war, was ich geäußert habe in meinem Leben, weil es nicht scharf war, weil es versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen und mich mitzuteilen in meiner Verletztheit, Unsicherheit und meiner Ablehnung dessen, was er da tat. In der Rückschau ist der Schrei für mich auch eine Form, in der ich meine Würde vertreten und bewahrt habe.«
- Zitat
- »…dass es aus meiner Sicht das Schönste war, was ich geäußert habe in meinem Leben, weil es nicht scharf war, weil es versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen und mich mitzuteilen in meiner Verletztheit, Unsicherheit und meiner Ablehnung dessen, was er da tat. In der Rückschau ist der Schrei für mich auch eine Form, in der ich meine Würde vertreten und bewahrt habe.«
- Ding-Geschichte (»plot«)
- Annas Eltern riefen den Hausarzt an, weil der psychische Ausnahmezustand ihres 18jährigen Kindes ihnen unheimlich wurde. Der Arzt kam, Anna saß verunsichert auf dem Sofa in dem Gefühl, Hilfe zu brauchen und zu wollen. Sie versuchte zu sprechen, ihre Verwirrtheit auszudrücken, aber konnte sich nur schwer artikulieren. Der Arzt öffnete mit spürbarer Härte, und als sei es eine unvermeidliche Selbstverständlichkeit, seinen Koffer, nahm eine Spritze heraus und zog sie auf. Anna protestierte, sagte mehrfach »nein!«, aber versuchte nicht, wegzulaufen. Bevor der Arzt mit der Spritze zustach, schrie Anna einen intensiven, volltönenden Schrei.
- Zum Kontext Person
- Diese Situation ist für Anna die Hauptverletzung, das Haupttrauma ihrer gesamten, später auch Fixierung und Zwangseinweisung umfassenden Psychiatrie-Erfahrung.
- Zum Kontext Forschung
- Dorothea Buck (1917–2019) prägte den Begriff der »gesprächslosen Psychiatrie«. Anna sieht diese Situation als typisches Beispiel. Annas absolute Ablehnung von Psychopharmaka gründet sich ebenfalls auf dieser Erfahrung.